Pünktlich zum diesjährigen internationalen Frauentag erschien die deutsche Übersetzung einer der stärksten zeitgenössischen Frauenstimmen aus Südosteuropa. Rumena Bužarovskas Erzählungsband Mein Mann eroberte die Herzen und Köpfe der Leser:innen in vielen Balkanländern und feiert dieses Jahr, sieben Jahre nach der mazedonischen Erstausgabe, seine deutsche Premiere. Wer ist aber Rumena Bužarovska und worüber schreibt sie? Das erfahrt ihr in diesem ersten Beitrag zu FeminEast-Literatur im Rahmen unseres thematischen Monats.
Man kann sich die Frauen ganz genau vorstellen: eine Witwe, eine Künstlerin, eine Hausfrau, eine Ehefrau und Mutter, eine Betrügerin. Eine erzählt mit der Kippe im Mund und Lockenwickler auf dem Kopf, die andere blickt verunsichert nach links und rechts und spricht ganz leise, eine weitere spottet und ist extrem zynisch, nur manchmal, wenn sie über ihr Leiden erzählen, bricht die Stimme dann doch ins Traurige. Die elf Ich-Erzählerinnen von Bužarovskas knappen, schlauen und lustigen Geschichten nehmen die Leser:innen mit in ihr Leben. Sie erzählen erbarmungslos und lakonisch von ihren Männern, mit viel Witz und Ironie. Jede einzelne Stimme hat ihre besondere sprachliche Färbung, mit jeder Geschichte nehmen wir eine andere Perspektive ein, wodurch nach und nach das kritische Bild einer Gesellschaft entsteht. Auch wenn scharfe Portraits einzelner Männer entworfen werden, so doch nicht ohne Selbstironie und Selbstkritik. Manche unbewusste Enthüllung führt die eigenen Schwächen und Peinlichkeiten vor und zeigt auch die Akteurinnen als Teil des verwickelten Spiels um Macht.
Wer sind aber die Männer, von denen hier erzählt wird? Es gibt da einen Frauenarzt, der sich als Maler ausgibt und Komplimente für eine gute Gebärmutter vergibt, da wäre ein Dichter mit Hang zum völkisch-traditionellen Kitsch, der seiner Liebhaberin beim Sex pathetische Verse ins Ohr flüstert. Der eine ein Botschafter, der andere ein Macho, heuchlerische Betrüger, tote wie lebendige Männer. Bužarovska dringt dabei tief in die Psychologie dieser Männer ein und charakterisiert sie präzise über Aspekte ihres Verhaltens, die Art, wie sie Reden, welche Präferenzen und moralischen Werte sie haben. Aber geht es hier tatsächlich nur um Männer? Natürlich nicht.
In ihrer Prosa beschäftigt sich Bužarovska besonders mit feministischen Fragen im Kontext des Balkans, dabei scharf und gewitzt analysierend, welche Rollen Männer* und Frauen* von der Gesellschaft zugeteilt bekommen und was sich eigentlich hinter den Kulissen versteckt: Unglück, Lüge, Konformismus, Unsicherheit. Oft werden in ihren Texten Fragen und Probleme thematisiert, die zur Zeit der Erstveröffentlichung aber auch heute selten oder kaum angesprochen oder gar ganz verschwiegen werden. Was gerne unter der Bettdecke belassen wird, die Geheimnisse dysfunktionaler Beziehungen und Verhältnisse, drängt hier auf die Oberfläche, sodass neben humoristischen auch gesellschaftskritischen Passagen zu finden sind, die häusliche Gewalt, Kitsch und Nationalismus in Nordmazedonien direkt ansprechen.
Dass dieses Buch aber weit über die Grenzen des im Text markierten gesellschaftspolitischen Rahmens hinausgeht, zeigt sein internationaler Erfolg. Die Erzählungen dieser jungen Schriftstellerin, die daneben auch literarische Übersetzerin und Dozentin für amerikanische Literatur an der staatlichen Universität in Skopje ist, werden nicht nur in viele Sprachen übersetzt, sondern wurden bereits in Skopje und Ljubljana für die Bühne adaptiert. Wieder eine ausgezeichnete deutsche Übersetzung von Benjamin Langer (ein Bamberger Germanistik-Alumni!), die wir euch klar empfehlen!
Rumena Bužarovska: Mein Mann. Aus dem Mazedonischen von Benjamin Langer. Berlin: Suhrkamp Verlag 2021.