AUF HOHER SEE / RACKET BABY

von Sławomir Mrożek // Premiere: 28. Juni 2024 // JuZ Bamberg

Wenn der Idealismus sich selbst zum Fraß vorwirft.

Um sich vor dem Ertrinken zu retten, stranden Der DickeDer Mittlere und Der Schmächtige auf einer Insel. Wie lange sie schon dort ausharren, weiß man nicht. Was sie zusammengebracht hat, auch nicht. Nun sind die Vorräte leer.

„Ich dachte, ein bisschen Kalbfleisch mit Erbsen müsste noch da sein.“ (Der Schmächtige) – „Nichts ist übriggeblieben.“ (Der Dicke)

Sie beschließen die naheliegendste Lösung: einen von ihnen zu essen. Doch zunächst soll eine allgemeine und freie Wahl dafür vollzogen werden. Ein manipulierter und ungültiger Wahlgang, Agitation und Wahlkampf und zahlreiche tragische Kindheitsgeschichten später, finden sie einen Modus, der die auserwählte Person zum Verspeisen bestimmen soll. Der Dicke bietet generös selbst an, die Auswahl des Fleischhappens zu vollziehen. Zwischen Autokrat und Utopist wandelt Der Mittlere, grinst schlumpfig und kuschelt etwas zu sehr mit rechts. Eine eigene Meinung hat er eigentlich nicht, er will nur schnell zur Sache kommen und eine Entscheidung treffen, die bestmöglich nicht auf ihn fällt.

„Der Parlamentarismus hat sich überlebt.“ (Der Schmächtige) – „Aber es bleibt kein anderer Weg. Oder wollen Sie eine Diktatur? Ich würde mich bereiterklären, die Macht zu ergreifen.“ (Der Dicke)

Der Dicke und Der Mittlere versuchen mit unterschiedlichen Strategien die Wahl Des Schmächtigen zum Hauptgang zu argumentieren. Sie setzen alles daran, Den Schmächtigen mit Argumenten zu überzeugen. Kein Appell an das gute Herz der beiden – wohl durchaus nahrhafteren –, an das Gewissen und an die Gerechtigkeit bewegen Den Dicken und Den Mittleren zu einer fairen Wahl.

Während des Wahlkampfes der drei, erinnern sie sich an ihre Kindheit zurück. Als Chef und Drops noch Babys waren, wollte ein findiger Journalist ihnen Details über die Düsseldorfer Teddybär-Affäre entlocken. Er ist auf der Suche nach Racket-Baby und hofft bei den beiden Informationen über dessen Verbleib zu erhalten. Doch die beiden halten dicht, wäre da nicht diese einzige Schwachstelle, die zwei Gangster-Babys haben könnten…

Auf hoher See/Racket Baby stellt relevante und zeitpolitische Fragen. Gefressen wird derjenige, der sich fressen lässt. Was passiert, wenn Toleranz und Idealismus zur Selbstaufgabe führen? Macht es den Weg frei für Diktatur und Autokratie, wenn sich Ideale nur mit sich selbst beschäftigen?

„Als ein unzurechnungsfähiges Individuum müssten Sie sich umso mehr der Führung von Menschen anvertrauen, die wissen, was sie wollen. Sie müssen aus der Gesellschaft ausgemerzt werden, und der beste Weg dafür ist, dass die Gesellschaft Sie verzehrt.“ (Der Dicke)

ES SPIELEN // Benjamin Gehrig, Eugeniya Ershova, Jonathan Hau, Kristina Kroll
REGIE // Christine Renker
FOTOGRAFIE // Alexander Rossbach
Aufführungsrechte Diogenes Verlag AG Zürich