Spielzeit 2022/23

“R.U.R.  ROSSUM’S UNIVERSAL ROBOTS” VON KAREL ČAPEK

Premiere: Herbst 2023

++ Weitere Infos folgen in Kürze ++

REGIE // Benjamin Gehrig, Kristina Kroll


“Pidor und der Wolf” von Sam Max

++++Abgesagt++++Abgesagt++++Abgesagt++++

Ich weiß, wo dein Vater ist.
Sie sagte, ohne Worte: Er ist nicht spazieren gegangen.
Und sie sagte, ohne Worte: Er kommt nicht wieder.

In Pidor und der Wolf von Sam Max wird die Geschichte des Familienvaters Peter aus der Perspektive seines 16-jährigen Sohnes als Rückblick auf seinen achten Geburtstag in Tschetschenien erzählt. Als Peter, der häufiger nachts das Haus verlässt, nicht mehr zum Geburtstagsfrühstück seines Sohnes zurückkehrt, bricht das fragile Familienkonstrukt Stück für Stück zusammen.

Das Verschwinden des Vaters wird auch von seiner Frau kommentiert. Die „Ente von einer Frau“, die die heimlichen nächtlichen Treffen von Peter mit dem Wolf wohl mitbekommen hat, kommentiert seine insgeheime Homosexualität als gekränkte Ehefrau. Peter wird vom Wolf in eine perfide Falle gelockt und das, was wohl heute als Grindr-Date bezeichnet werden würde, endet in einer Gefangenenzelle im tschetschenischen Grosny. Dabei trifft Peter in seiner Gefangenenzelle auf Ilya, seinen Jugendschwarm und verhandelt seine persönliche Homosexualität auf eindrücklich sinnliche Weise. Seine Frau hat derweilen nach einem Zeitsprung in die Gegenwart des 16-jährigen Sohnes mit dem Wolf angebandelt. Auf einer Feier, wo sich die Familie wieder begegnet, eskaliert der Konflikt um Betrug, Verrat und zuletzt um die Frage zwischen Peter und seinem Sohn: „Machen wir jetzt das saubere Ende oder das schmutzige?“.

In Zeiten von Jeffrey Dahmer Dokumentationen verkommt der Fokus bei Gewaltverbrechen an Opfern aus der LGBTQIA+ Community zu einem Hype um ein popkulturelles Faszinosum an Serienkillern oder zu einem Voyeurismus auf tragische Gestalten mit dominanten Vaterfiguren.

Sam Max erzählt im Stücktext zu „Pidor und der Wolf“ eine Geschichte mit musikalischen und märchenhaften Elementen aus doppelter Perspektive über ein gewaltiges Thema von Menschenrechtverletzungen, ohne eine Faszination von Tätermotiven oder -rollen auszulösen. Es erzählt die Geschichte eines Opfers innerhalb eines autokratischen Systems, das Personen der LGBTQIA+ Community menschenverachtend behandelt.

Zum politischen Hintergrund

In Tschetschenien ereigneten sich seit dem Regimewechsel 2007 unter Ramsan Kadyrow und infolge des zweiten Tschetschenienkrieges nach 2009 zahlreiche Menschenrechtsverletzungen an ethnischen Minderheiten und Zugehörigen der LGBT-Community[1].

In einem Interview mit einem HBO Real Sports Journalisten auf die Frage nach seiner Position zu den eingeleiteten Ermittlungen und Vorwürfen der Verschleppung und Folterung homosexueller Männer in Tschetschenien antwortet Kadyrov: „Warum ist er hergekommen, warum stellt er so eine Frage? Das ist Irrsinn. Wir haben solche Leute nicht. Bei uns gibt es keine Schwulen. Und wenn, dann nehmt sie mit nach Kanada. Gelobt sei Allah. Nehmt sie weit weg von uns, dass wir sie nicht hier bei uns haben. Um unser Blut zu säubern, wenn es hier welche gibt, nehmt sie mit.“ Und weiter auf die Frage des Journalisten, was er zu den bekannten Vorwürfen gegen die Regierung und die Miliz der Menschenrechtsverletzungen, Foltern und Verschleppungen zu sagen hat, antwortet Kadyrov: „Sie sind Teufel. Sie sind korrupt. Sie sind keine Menschen. Sollen sie verdammt sein für das, für was sie uns beschuldigen. Dafür müssen sie vor Gott eine Antwort finden.“

Sam Max (they/them) ist Autor:in, Regisseur:in, Musiker:in, Designer:in und Dramatiker:in, erhielt zahlreiche Preise als Dramatiker:in und Regisseur:in und erhielt Förderungen und Stipendien für außergewöhnliche Arbeiten. Zuletzt veröffentlichte Sam Max die Horror-Kurzfilme „Ticks“ (2022) und „Chaperone“ (2021) und entwickelte die Performance zu Hannah Baers „trans girl suicide museum“ im Mercury Store in Brooklyn (2022). Das Stück „Zaun“ von Sam Max wurde am 20.01.23 im E.T.A.-Hoffmann Theater Bamberg in der deutschsprachigen Fassung erstaufgeführt.

Content Note: In dieser Inszenierung werden körperliche und psychische Gewalt thematisiert. In einigen Szenen wird herabsetzende und diskriminierende Sprache benutzt.

ES SPIELEN // Jennifer Bullinger, Nadine Buschmann, Eugeniya Ershova, Judith Kinitz, Kristina Kroll
REGIE // Christine Renker


[1] Die Zusätze QIA+ können hier in diesem Sinne noch gar nicht hinzugefügt werden, da selbst die Existenz lesbischer, schwuler, bisexueller oder transgender Personen nicht anerkannt wird.

Foto: Alexander Roßbach | Plakat: Rex Danny


“DER DRACHE” NACH JEWGENI SCHWARZ

Premiere: 24. November 2022
Weitere Aufführungen: 25.11., 26.11., 01.12., 02.12., 03.12.2022
Spielort: Palais Schrottenberg / Kasernstr. 1

Einlass: 19:00 / Beginn: 19:30 Uhr
Karten: 14 EUR / ermäßigt 8 EUR
VVK: Buchhandlung Collibri, Austraße 12
++auf Deutsch ++

“Wo dus warm und weich hast, tust du am klügsten,
wenn du vor dich hindöst und schweigst
und nicht nachdenkst über die unangenehme Zukunft.”

(Der Kater, aus Der Drache von Jewgeni Schwarz)

2022: im vermeintlich vereinten Europa finden sich an jeder Ecke autokratische Verhältnisse. Totalitäre Demokratien und autoritäre Regime werden zum Hit. Belarus, Ungarn, Russland, um nur mal die eurozentrische Perspektive abzudecken.

„Es gibt nur eine Möglichkeit, vom Drachen verschont zu bleiben:
Man muss einen eigenen Drachen haben“

(Charlemagne, aus Der Drache von Jewgeni Schwarz)

Der titelgebende Drache herrscht über eine Stadt und die Bürger:innen haben sich damit abgefunden. Zumindest bis Lanzelot – von Beruf Held – auftaucht und die Stadt vom Tyrannen befreien will. Aber wollen die Bürger:innen überhaupt ihr biedermeierliches Leben für die Abenteuerlust eines dahergekommenen Helden aufgeben? Dabei ist so ein mächtiger Drache, der das Volk schützt, sich gnädig mit einer geopferten Jungfrau pro Jahr zufriedengibt und ansonsten wenig Ansprüche stellt, doch wunderbar?

Entgegen den zeitgenössischen Diktatorenfiguren – mit neurotischen und paranoiden Zügen – lässt es sich der Drache in der Stadt gutgehen. Es ist doch so einfach eine ordentliche Führungsposition anständig zu würdigen und man kann in Frieden leben.

Als Jewgeni Schwarz seinen Drachen 1943 unter dem Eindruck der Leningrader Blockade schrieb, erkannte man darin vor allem eine Parabel über Tyrannei und Duckmäusertum. Fast achtzig Jahre später möchte man glauben, die politischen Verhältnisse in der Welt haben sich geändert, aber die Parabel hat nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. In diesem Geist inszenieren die beiden Regisseurinnen Christine Renker und Eugeniya Ershova das Märchen aus heutiger Sicht und wagen damit einen bitterbösen wie ironischen Blick auf die gesellschaftliche Gegenwart und die Drachen unserer Zeit.

ES SPIELEN // Nadine Buschmann, Benjamin Gehrig, Alexandra Kaganowska, Franz Kellermann, Kristina Kroll, Cornelia Morgenroth

REGIE // Eugeniya Ershova, Christine Renker
REGIEASSISTENZ // Niklas Knüpling
DRAMATURGIE // Niklas Schmitt