nach Jewgeni Schwarz // Premiere: 24. November 2022 // Palais Schrottenberg
“Wo dus warm und weich hast, tust du am klügsten,
(Der Kater, aus Der Drache von Jewgeni Schwarz)
wenn du vor dich hindöst und schweigst
und nicht nachdenkst über die unangenehme Zukunft.”
2022: im vermeintlich vereinten Europa finden sich an jeder Ecke autokratische Verhältnisse. Totalitäre Demokratien und autoritäre Regime werden zum Hit. Belarus, Ungarn, Russland, um nur mal die eurozentrische Perspektive abzudecken.
„Es gibt nur eine Möglichkeit, vom Drachen verschont zu bleiben:
(Charlemagne, aus Der Drache von Jewgeni Schwarz)
Man muss einen eigenen Drachen haben“
Der titelgebende Drache herrscht über eine Stadt und die Bürger:innen haben sich damit abgefunden. Zumindest bis Lanzelot – von Beruf Held – auftaucht und die Stadt vom Tyrannen befreien will. Aber wollen die Bürger:innen überhaupt ihr biedermeierliches Leben für die Abenteuerlust eines dahergekommenen Helden aufgeben? Dabei ist so ein mächtiger Drache, der das Volk schützt, sich gnädig mit einer geopferten Jungfrau pro Jahr zufriedengibt und ansonsten wenig Ansprüche stellt, doch wunderbar?
Entgegen den zeitgenössischen Diktatorenfiguren – mit neurotischen und paranoiden Zügen – lässt es sich der Drache in der Stadt gutgehen. Es ist doch so einfach eine ordentliche Führungsposition anständig zu würdigen und man kann in Frieden leben.
Als Jewgeni Schwarz seinen Drachen 1943 unter dem Eindruck der Leningrader Blockade schrieb, erkannte man darin vor allem eine Parabel über Tyrannei und Duckmäusertum. Fast achtzig Jahre später möchte man glauben, die politischen Verhältnisse in der Welt haben sich geändert, aber die Parabel hat nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. In diesem Geist inszenieren die beiden Regisseurinnen Christine Renker und Eugeniya Ershova das Märchen aus heutiger Sicht und wagen damit einen bitterbösen wie ironischen Blick auf die gesellschaftliche Gegenwart und die Drachen unserer Zeit.
ES SPIELEN // Nadine Buschmann, Benjamin Gehrig, Alexandra Kaganowska, Franz Kellermann, Kristina Kroll, Cornelia Morgenroth
REGIE // Eugeniya Ershova, Christine Renker
REGIEASSISTENZ // Niklas Knüpling
DRAMATURGIE // Niklas Schmitt
FOTOGRAFIE // Alexander Roßbach